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Mikis Theodorakis: Musik für die Freiheit.

 

Von Ursula Kubiceck


Mikis Theodoroakis war Künstler und Freiheitskämpfer, beides kompromisslos. Seine Musik war es, die während den dunkelsten Stunden Griechenlands ein unterdrücktes Volk mit Kraft und Hoffnung wachzuhalten vermochte.

 

Theodorakis wird 1925 auf Chios geboren. Der Vater arbeitet im Staatsdienst, so fügt sich seine Familie alle paar Jahre wieder seinen Versetzungen. Theodorakis’ Mutter war eine Vertriebene aus Smyrne (heutiges Izmir), kosmopolitischer Schmelztiegel und Schauplatz der «Kleinasiatischen Katastrophe», die sich im kollektiven Gedächtnis der griechischen Diaspora eingebrannt hat. Diese Flüchtlinge sind es, die im Haschischdunst dunkler Hafentavernen in der Rebetiko-Musik ihre Sehnsüchte und Schmerzen besingen, begleitet von den unverwechselbaren Klängen der Bouzouki. Die Bouzouki sollte im späteren Leben von Theodorakis noch eine bedeutende Rolle spielen. Aber Anfang der 1930-er Jahre ist seine Welt noch beschaulich: Er ist fasziniert von Musik und saugt alles in sich auf, was seine Leidenschaft befrieden kann: die Byzantinischen Chöre in der Kirche, Volksweisen beim Dorffest, Klassik und Jazz, gelauscht am kostbaren Grammophon seines Onkels. Als Heranwachsender erhält er endlich den ersten Musikunterricht. Die Familie lebt zu dieser Zeit in Patras, der geschäftigen Hafenstadt auf dem Peloponnes. Aber eine erneute Versetzung des Vaters, diesmal in die Provinz, wühlen den jungen Theodorakis auf. Der zweite Weltkrieg wütet und die faschistischen Truppen Hitlers und Mussolinis haben Griechenland besetzt. In einer jugendlichen Krise steckend, versinkt Theodorakis in philosophische und marxistische Literatur. 1942 bricht eine grosse Hungersnot im Land aus, dessen Auswirkungen den jungen Mann tief verstören. Im sinnsuchenden Theodorakis entfacht das Klassenbewusstsein – und die «Entdeckung Gottes in der Person des Arbeiters», wie er später seine Erkenntnis umschreiben wird.

 

Er schliesst sich dem Widerstand an und verübt diverse Sabotageakte im Umland von Pyrgos. 1943 wird er erstmals verhaftet, gefoltert und auf Geheiss eines italienischen Kommandanten nach Athen verfrachtet. Vielleicht ist es sein junges Alter, das ihn – vorerst - vor weiteren Repressalien schützt. Er beginnt sein langersehntes Musikstudium und lebt beim Onkel. Gegenüber wohnt eine junge Medizinstudentin, Myrto. Sie wird seine erste und einzige Liebe und ihn fortan durch alle alle Höhen und Tiefen begleiten.

 

Lyrik als Stimme des Volkes

 

Am Ende des Zweiten Weltkriegs liegt Europa in Schutt und Asche. Für Griechenland aber ist die Zeit des Terrors noch nicht vorbei. Der Übergang in den Bürgerkrieg, angefeuert von ideologisch verfeindeten Widerstandsgruppen, ist fliessend. Theorakis führt zwar sein Musikstudium fort, beteiligt sich aber auch aktiv im Widerstand gegen Konservative und Monarchisten. Er wird wieder verhaftet und zuerst zuerst auf der Insel Ikaria, ab 1948 in das Konzentrationslager auf der Insel Makronissos verbannt. Die karge Insel ist berüchtigt: Folterungen und Scheinhinrichtungen gehören zur Tagesordnung. Hunger, Durst, sengende Sonne im Sommer und klirrende Kälte im Winter setzen der Gesundheit des stattlichen Mannes zusätzlich zu. Aber im Gegensatz zu Tausenden anderen darf er die Insel 1949 als Lebender verlassen.

 

Dank eines Musikstipendiums darf Theodorakis sein Studium in Paris weiterführen. Er arbeitet wie bessessen, komponiert Symphonien, Opern und Ballettmusik. Er bleibt aber ein Suchender. Musikalisch will er zu seinen Wurzeln zurück und Musik scheiben, die dem Wesen des griechischen Volkes entspricht. In der Hölle Makronissos hatte er Giannis Ritsos kennengelernt, ein bekannter Lyriker seiner Zeit. Seine Gedichte erzählen von Unterdrückung und Befreiung – zu aufrührerisch für das Regime und darum verboten. Theodorakis ist vom Wunsch beseelt, die lyrischen Werke seines Freundes zu vertonen und dem einfachen Volk näher zu bringen. Die Rolle der Brückenbauerin wird dabei der Bouzouki zuteil: Getragen von den traditionellen Saitenklängen finden die Poesie Ritsos und später weiterer Lyriker:innen (wie Rena Chatzidaki, Odysseas Elitys, Giorgos Seferis) endlich ihr Publikum in einem nach Freiheit und Frieden dürstendem Volk.

 

Musik im Untergrund

 

1963 wird der populäre Politaktivist Grigoris Lambrakis ermordet. Als Reaktion darauf gründet Theodorakis, wenige Jahre davor aus Paris zurückgekehrt, die Lambrakis-Jugend, die schnell zur zur grössten politischen Organisation Griechenlands avanciert. Die gemässigte Linke geht 1964 als Siegerin aus den Parlamentswahlen hervor, Theodorakis zieht als Abgeordneter der EDA – nach dem Verbot der Kommunistischen die einzig legale linke Partei – ins Parlament ein. Für die westlichen Mächte gilt es derweil unter allen Umständen eine eine weitere Ausbreitung des Kommunismus auf dem Balkan zu verhindern. Die Geheimdienste, allen voran die CIA, hintertreiben eine geregelte Regierungsbildung und bieten Rückendeckung für den geplanten Militärputsch. Am 21. April 1967 besetzen Panzer alle strategischen Punkte Athens. Die Junta hat nun das Sagen und eine gnadenlose Verhaftungswelle rollt durch die Stadt.

 

Mikis Thedorakis findet sich ein weiteres Mal in der Rolle des Widerstandskämpfers wieder. Wie sehr er zur Hassfigur der Obristen wird, zeigt sich an einem Armeebefehl von 1967, das nicht nur das Singen, sondern auch das Besitzen und Hören seiner Lieder unter Strafe stellt. Über Monate kann sich Theodorakis von den Militärs verstecken, aber als gross gewachsener Mann wird es für ihn immer schwieriger, bei seinen Genoss:innen Unterschlupf zu finden. Er wird entdeckt, verhaftet und überlebt ein weiteres Mal die Qualen der Folter. Seine Berühmtheit, durch die Filmmusik von «Alexis Zorbas» explosionsartig auch ausserhalb Griechenlands gewachsen, ist es schliesslich, die ihn aus den Fängen der Junta befreien kann. Er geht ins Exil nach Paris, seine Lieder aber bleiben in Athen. Sie werden im Untergrund mutig und leise weiter gesungen, geben Hoffnung und Halt.

 

Musik auf Friedensmission

 

Während die Junta in Griechenland das Spiessbürgertum zelebriert, schliesst Theodorakis  Freundschaften mit Politiker:innen und Kulturschaffenden dies- und jensseitss des Eisernen Vorhangs. Seine Musik wird zu einer universellen Botschaft für Dialog und Demokratie. 1974 implodiert die Junta. Endlich darf Mikis Thedorakis wieder nach Athen zurück. Sein erstes Konzert ist ein Triumph des Widerstand: 40'000 Menschen lassen sich diesen historischen Moment nicht entgehen und singen überwältigt im Chor der Freiheit mit.

 

Die daraffolgenden Jahrzehnte sind von musikalischer Schöpfungskraft geprägt. Zur Ruhe setzen kann er sich nicht, still halten noch weniger. Er bezieht Stellung zu den globalen Konflikten und spart nicht mit Kritik an der Linken. Für kurze Zeit bekleidet er sogar ein  Ministeramt in einer konservativen Regierung, was ihm vom vielen Genoss:innen nachgetragen wird. Seine Bestrebung, die tiefe Kluft zwischen Griechenland und der Türkei musikalisch zu überwinden, wird von rechter und linker Seite argwöhnisch beäugt. Dabei wird schnell übersehen, dass Theordorakis konsequent seinen Überzeugungen Taten folgen liess. Sein leidenschaftlicher Wille zum Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Diktatur flammt auch im neuen Jahrtausend wieder auf. 2012 protestiert er – hochbetagt und im Rollstuhl – auf dem Sygmanta-Platz gegen die Spardiktatur der EU. Im Tränengasschauer wird er schwer verletzt und braucht Monate, sich zu erholen. Als er im September 2021 stirbt wird Staatstrauer angeordnet. Im Radio spielen sie seine Lieder auf und ab. «Ich hatte schreckliche Prüfungen zu bestehen bei denen es um Leben und Tod ging» sagte er 1990 in einem Interview, «hat man aber die Grenzen des Todes erst einmal überschritten, dann ist man ganz und gar frei.»

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